Phänomenologischer Zugang zum Problem der Hornstein-Bildung
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Unklare Vorstellungen zur Entstehung der Hornsteine sind noch weit verbreitet, auch in Handbüchern zu Geologie und Petrologie. Nach [1] entstehen Hornsteine durch nachträgliche Verkieselung vorhandener Gesteine. Das gilt gewiss nicht für die meisten fossilführenden Hornsteine, wie die unter-devonischen Hornsteine von Rhynie, Schottland, und die permischen Hornsteine aus Sachsen.
Zweifellos gibt es in der wissenschaftlichen Literatur nützliche Arbeiten zu den verschiedenen Aspekten des Problems, aber es wäre für Fossilsammler oder Paläontologen praktisch unmöglich, sich gründlich damit zu befassen, das Glaubhafte vom Fraglichen zu trennen und sich ein widerspruchsfreies Bild der Sache zu verschaffen. Die nachfolgende kurze Zusammenstellung von Fakten, kombiniert zu einer Kette von Argumenten, soll in dieser Situation hilfreich sein.

quartz crystals grown within wood tissueBild: Quarzkristalle, während eines frühen Stadiums der Verkieselung im weichen Holz wachsend. Anscheinend hat das Holz kaum noch Festigkeit, denn es wird von den wachsenden Kristallen leicht beiseite geschoben. Vermutlich verhindert Kieselgel die Zersetzung und den Kollaps des Gewebes, und die Umwandlung in Chalzedon hat diesen Zustand konserviert. Da die Bildung von Kieselholz und von Hornsteinen im wesentlichen ähnlich ist, kann dieses Beispiel dazu dienen, der verbreiteten Ansicht zu widersprechen, Quarz entstehe im letzten Stadium der Verkieselung. Es ist folglich immer ratsam, etablierte Meinungen kritisch zu hinterfragen.
Ober-Karbon, Kiesgrube Borxleben, Kyffhäuser-Gebirge.
Das Fundstück wurde freundlicherweise von W.+G. Etzrodt, Borxleben, zur Verfügung gestellt.

1.  Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass manche (die meisten oder alle ?) fossilführenden Hornsteine
     einen Zustand durchliefen, der die mechanischen Eigenschaften von Gel hatte:
     Elastizitätsmodul und Bruchzähigkeit sehr niedrig,
        erkennbar aus anfangs entstandenen kurzen Rissen, weit geöffnet und mit scharfer Spitze,
           später mit SiO2 ausgefüllt und nun im festen Hornstein sichtbar.

2.  Bekanntlich besteht Gel aus einem schwach gebundenen Netzwerk (mit Flüssigkeit in den Maschen),
     was leichte Diffusionswege ermöglicht.
3.  Der in (1) erwähnte Zwischenzustand kann realisiert sein als
     - homogenes Kieselgel,
     - Kieselgel mit dispersen Einschlüssen von Opal, Chalzedon, Quarz,
     - Ansammlung von Silica-Clustern, die sich wie Gel verhält.
    (Unabhängig von der speziellen Realisierung wird der Zwischenzustand hier kurz Gel genannt.)
4.  Es gibt Belege dafür, dass die Bildung der meisten fossilführenden Hornsteine aus Gel
     an oder nahe der Oberfläche geschah und nicht in der Tiefe.
5.  Es gibt Belege dafür, dass kristalliner Quarz im Gel wachsen kann,
     dessen Festigkeit ausreicht, das Gewicht des Kristalls zu tragen.
6.  Der im Gel wachsende Quarzkristall bekommt SiO2 nicht durch Auflösen von angrenzendem Gel,
     andernfalls würde der Kristall sinken, während er wächst.
7.  Der wachsende Quarzkristall kann Risse im Gel erzeugen.
8.  Aus (2), (6) und (7) kann man schließen, dass der wachsende Kristall niedermolekulares SiO2

     mittels Diffusion durch das Gel erhält.
9.  Das diffundierende SiO2 kann aus der gleichen Quelle kommen wie das SiO2 , aus dem das Gel entstand.
10. Es gibt Bereiche von Messwerten (SiO2 -Konzentration, pH, Salzgehalt, Temperatur ...),
      wo SiO2 -Lösungen übersättigt sind und Gel bilden.
11. Übersättigung entsteht gewöhnlich bei Abkühlung, was Minuten bis Tage dauern kann.
12. Übersättigung kann durch Mischen unterschiedlicher gesättigter oder ungesättigter Lösungen in Sekunden entstehen.
      Dieser unerwartete Effekt beruht auf nicht-linearen Zusammenhängen zwischen Löslichkeit und Parametern wie pH etc.
13. Schnelles Mischen von Lösungen geschieht in fließenden Oberflächenwässern, folglich sind (11,12) verträglich mit (4).
14. Ausgehend von (8) und (9) ist anzunehmen, dass Opal und Chalzedon ähnlich wie Quarzkristalle im Gel wachsen können.
15. Die wachsenden Ausscheidungen ergeben schließlich einen Zustand dicht gepackter (Mikro-) Kristalle
     ohne Gel dazwischen: den festen Hornstein.

Aglaophyton: Antheridium mit heraus schwimmendem Sperma, nach KERPDie hier beschriebenen Vorgänge können helfen, rätselhaft erscheinende Beobachtungen zu erklären. Ein Beispiel dafür ist das Sperma des Gametophyten von Aglaophyton, zu sehen im unter-devonischen Hornstein von Rhynie während des Freilassens aus dem Antheridium. Als H. Kerp zur Rhynie Chert Konferenz, Aberdeen 2003, dieses Bild zeigte [2], blieb die Frage unbeantwortet, wie das austretende Sperma im Wasser nahe der Öffnung festgehalten und konserviert werden konnte. Nun scheint es so gewesen zu sein, dass schnelle Übersättigung durch Mischung solches bewirkte. (Dieses Bild ist auch in [3]
Fig.8.29 abgedruckt, aber mit falscher Größenangabe.)
Rädertierchen beim Angriff auf kugelförmige Algenkolonie
Ein ähnlicher Fall schneller Bildung von Kieselgel, vielleicht in Sekunden, scheint den Überfall eines Rädertierchens vereitelt und die Szene für die Ewigkeit konserviert zu haben, zu sehen in diesem Bild des einzigen bisher bekannten Exemplars eines Rädertierchens aus dem Rhynie Chert, erstmalig beschrieben 2008 in Rhynie Chert News 23.   Foto: H. Eschrich, Jena.

Ein weiteres Beispiel für die Verwandlung von Wasser zu Hornstein wird in
Rhynie Chert News 123 geliefert.

Einige Hornstein-Fundstücke liefern Einzelheiten der Vorgänge während der Verkieselung, erklärt in Rhynie Chert News  20, 27, 31, 59, 60, 64, 66,  Permian Chert News  6,  Fossil Wood News  1
2 .
Die Verkieselung kann wiederholt wechseln zwischen isotroper und geotroper Ablagerung: Rhynie Chert News 77.


H.-J. Weiss     2005,  überarbeitet 2010, 2016, 2018.

[1] R. Rößler et al.: Strandsteine ...
      Veröff. Mus. Naturkunde Chemnitz 30(2007), 5-24.
[2] H. Kerp, N.H. Trewin, H. Hass : New gametophytes from the Early Devonian Rhynie chert,
     Trans. Roy. Soc. Edinburgh, Earth Sciences 94(2004 for 2003), 411-428.
[3] T.N. Taylor, E.L. Taylor, M. Krings : Paleobotany, Elsevier 2009. (Vorsicht: viele falsche Größenangaben !)

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